Kanalisationsbauten: Bauwerke unter unseren Füßen

Kanalisationsbauten: Bauwerke unter unseren Füßen
Kanalisationsbauten: Bauwerke unter unseren Füßen
 
Eine Kanalisation unter der Straße ist heute eine Selbstverständlichkeit. Das war allerdings nicht immer so: Im Mittelalter sah es da ganz besonders finster aus. ..
 
Lange vorher, in den alten Hochkulturen, gab es sehr wohl bereits Kanalisationssysteme. Berühmt wurde das um 300 vor Christus ausgebaute, überwölbte Kanalisationssystem Roms, das in Teilen — der »cloaca maxima« — heute noch funktionsfähig ist. Die Anlage war ursprünglich zur Entwässerung tiefer gelegener Stadtteile gebaut worden und wurde schließlich für die Abwässer der ganzen Stadt erweitert. In Mitteleuropa ließ jedoch die Kanalisation, ebenso wie die zentralisierte Wasserversorgung, noch jahrhundertelang auf sich warten. Abwasser wurde hinter den Häusern ausgekippt oder in flache Faulgräben geleert, wo es im Boden versickerte oder von da in einen nahe gelegenen Fluss geleitet wurde. Als Toiletten dienten Abtrittsgruben, deren Inhalt man ebenfalls unkontrolliert in den Boden eindringen ließ. Wenn verunreinigtes Sickerwasser in die Trinkwasserbrunnen gelangte, so waren häufig Krankheiten die Folge. Im Jahre 1200 versuchte man in Paris, den Problemen beizukommen, indem Straßen gepflastert und offene Abzugsgräben vertieft und überdeckt wurden.
 
Eine erstaunlich fortschrittliche Schwemmkanalisation mit gemauerten, unterirdischen Kanälen leistete sich Mitte des 16. Jahrhunderts die schlesische Stadt Bunzlau. Zur Reinigung der Abwässer dienten Rieselfelder. Ein ähnliches System wurde rund 100 Jahre später auch in Prag eingeführt.
 
Grundlegende Änderungen traten erst mit fortschreitender Industrialisierung und dem raschen Wachstum der Städte im 19. Jahrhundert ein. Die ersten Großstädte mit moderner Kanalisation waren Hamburg, als es nach dem Brand von 1842 wieder aufgebaut wurde, London, das zwischen 1859 und 1875 kanalisiert wurde, und Berlin nach den Arbeiten von 1873 bis 1883. Die meisten Städte Mitteleuropas folgten innerhalb weniger Jahrzehnte. Auch Kläranlagen etablierten sich bald darauf.
 
Bei den meisten heutigen Kanalisationsnetzen werden alle Abwässer in einem gemeinsamen Kanalsystem zusammengeführt. Die Kanäle werden oft in offener Bauweise angelegt, was bedeutet, dass ein Graben ausgehoben und, falls erforderlich, durch seitliche Verbauwände befestigt wird. Der Graben nimmt die Kanalrohre auf und wird danach wieder aufgefüllt. Besondere Sorgfalt ist beim Zusammenfügen der Rohre erforderlich. Zum Grundwasserschutz ist hier eine gute Stoßdichtung wichtig.
 
Wenn ein solcher Graben eine unzumutbare Behinderung des Verkehrs verursachen würde, wendet man ein Verdrängungs-, Bohr- oder Pressverfahren an. Die Wahl des Verfahrens richtet sich nach den örtlichen Gegebenheiten (Bodenzusammensetzung, Streckenlänge) und nach dem Durchmesser des zu verlegenden Rohres.
 
Bei den Verdrängungsverfahren wird die Erde während des Rohrvortriebs um das Rohr herum beiseite gedrückt. Das funktioniert am besten bei lockerem, verdrängungsfähigem Boden. Bei zu geringer Erdüberdeckung kann es zu Aufwölbungen kommen.
 
Ein mögliches Verfahren besteht darin, ein Stahlrohr, das vorn mit einem konischen (spitz zulaufenden) Verschluss und hinten mit einem schützenden Schlagkegel versehen ist, horizontal durch den Boden zu rammen. Das Rohr wird dabei Stück für Stück zusammengesetzt.
 
In standfestem Boden kann auch ein Erdbohrgerät verwendet werden. Hierbei besteht aber die Gefahr, dass es zu Erdeinbrüchen mit der Folge von Setzungen an der Geländeoberfläche kommt. Daher wird die Horizontalbohrung meist mit einem gleichzeitigen Rohrvortrieb kombiniert, wobei der Bohrkopf dem Stahlrohr geringfügig vorauseilt. Das Rohr, oft ein stählernes Schutzrohr, das erst später einen Inhalt bekommt (Ver- und Entsorgungsleitungen), stützt nämlich das Bohrloch.
 
Wenn umgekehrt das Rohr vor dem Bohrer durch den Boden gepresst wird, so handelt es sich um ein Pressverfahren. Dem ersten Rohrstück setzt man vorn einen Schneidring oder Schneidschuh auf, um den Vortrieb zu erleichtern. Zur Verminderung der Reibung kann zwischen Rohr und umgebendes Erdmaterial auch als Gleitschicht eine Bentonitsuspension eingepresst werden. So lassen sich Vortriebsstrecken von mehr als einem Kilometer erreichen. Bei Rohrdurchmessern von drei bis vier Metern treten an die Stelle des Bohrers meist Abbau- und Fördergeräte. Hier ist die Grenze zum Tunnelbau fließend.
 
Dipl.-Ing. Dieter Stein, Bammental
 
Weiterführende Erläuterungen finden Sie auch unter:
 
Tunnelbauten: Offene und geschlossene Bauweisen
 
Grundlegende Informationen finden Sie unter:
 
Straßenbauten: Verkehrswege für Kraftwagen

Universal-Lexikon. 2012.

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